Missing. New York by Don Winslow

Missing. New York by Don Winslow

Autor:Don Winslow [Winslow, Don]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783426425015
Herausgeber: Droemer eBook
veröffentlicht: 2014-07-30T22:00:00+00:00


Die sagenhafte Skyline von Manhattan spielte Verstecken mit mir, als ich auf der Route 9 von Nanuet südwärts fuhr. Die Wolkenkratzer reckten sich hoch wie Gespenster, dann duckten sie sich hinter Bäume und Häuser, um beim nächsten Mal noch höher und dichter aufzuragen.

Das erste Mal in New York einzureiten ist ziemlich aufregend.

Dass ich mich so beeindrucken ließ, war überraschend und auch ein bisschen beschämend, ich kann es nicht leugnen.

Ich bin alles andere als ein »Globetrotter«. Klar, ich kannte Irak, außerdem das Militärhospital in Ramstein, aber das war’s dann auch. Ferien mit Laura machte ich meistens in Colorado oder auf Kauai, doch auf New York war ich nie scharf gewesen, um die Wahrheit zu sagen. Laura schon, wegen des Theaters. Aber irgendwie ist nie was draus geworden.

Auf der George Washington Bridge fuhr ich über den Hudson, dann den West Side Highway Richtung Süden, mit dem Hudson zu meiner Rechten. An der 125th Street bog ich links ab und tauchte ins südliche Harlem ein, wie ich aus etlichen Filmen wusste.

Kulturschock.

Menschen, Menschen, Menschen, Autos, Autos, Autos.

Pkw, Lkw, Busse, Taxis, Radfahrer.

Und Krach.

Permanentes Gehupe, Geschrei, wummernde Bässe aus Autos und Ghettoblastern.

Die gehobene Bezeichnung dafür ist, glaube ich, »Kakophonie«.

Fast ein Jahr lang war ich nun schon auf einsamen Landstraßen und in kleinen Städten unterwegs. Lange, stille Tage in der Gesellschaft von Mr. Springsteen oder allein mit dem Autoradio und meinen Gedanken. Vielleicht ein leise gedrehter Motel-Fernseher als Geräuschkulisse, aber mehr nicht.

New York ist ein Überfall aus Krach und Chaos.

Ich sage nicht, dass es ein böser Überfall ist, aber ein Überfall ist es trotzdem.

Ich bog rechts auf den Broadway ab und arbeitete mich durchs Verkehrsgewühl, vorbei an der Columbia University bis zur 108th, wo mir mein Handy verriet, dass es an der Amsterdam Avenue eine Parkgarage für mich gab. Ich fuhr hinein und fragte den Wachmann, was es kostete.

»Sechsundachtzig«, antwortete er, ohne von seiner Zeitung aufzusehen. Neben seiner Hand ein Pappbecher mit Milchkaffee, im dreckigen Aschenbecher eine qualmende Zigarette. Sein dickes schwarzes Haar war glatt nach hinten gegelt, und er trug ein verwaschenes Yankees-T-Shirt, das es ein paar Dutzend Pizzas vorher aufgegeben hatte, seinen Bauch zu bedecken.

»Pro Woche?«, fragte ich.

Er schaute auf. »Pro Tag.«

»Ich will kein Zimmer«, sagte ich. »Nur einen Parkplatz.«

»Witzbold.« Er sah das Nebraska-Nummernschild und erklärte mir: »Das hier ist New-Yawk.«

»Hätte ich fast geahnt.«

»Wollen Sie parken oder nicht?«

Ich wollte, und ich wollte auch gleich bezahlen.

Aber sie wollten kein Geld im Voraus, weil sie mein Auto als Pfand hatten.

Ich nahm die Reisetasche heraus, ließ aber den Waffensafe hinter den Sitzen unter der anderen Jacke zurück, die ich nicht brauchte.

Dann lief ich zum Morningside Inn auf der 107th zwischen Amsterdam Avenue und Broadway. Sechsundsiebzig Dollar pro Nacht waren für Manhattan geschenkt. Der Mann am Tresen meinte, für zehn Dollar Aufschlag bekäme ich ein eigenes Bad, also waren wir wieder bei sechsundachtzig Dollar.

Sie gaben mir ein Zimmer im sechsten und obersten Stockwerk, ein enger, alter Lift brachte mich hinauf. Das Zimmer war klein – schmales Bett, winziger Fernseher, Minischreibtisch. Das Fenster ging auf den Hof mit Blick auf das gegenüberliegende Dach.



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